Am Montag, den 9. April habe ich, nachdem ich sonst nur im Publikum saß, als Rednerin am 2. Aschaffenburger BusinessSlam teilgenommen, dem großartigen Format des Mittelstandsverbands BVMW Bayerischer Untermain und der Sparkasse Aschaffenburg. In jeweils sieben Minuten werden dort Vorträge von Unternehmern zu 14 PowerPoint-Folien, die alle 30 Sekunden wechseln, gehalten – ein echtes Logistikproblem. Angeschlossen daran findet ein Networking-Abend statt, an dem sich Redner und Zuhörer austauschen und Kontakte knüpfen können. Wie immer hat es sich gelohnt, die Einsichten Anderer kennenzulernen.

Thema diesmal war „Tell your Story“ und so habe ich über den Beruf des Übersetzers, insbesondere des Rechtsübersetzers einst und heute gesprochen und viele kleine Kundenepisoden mehreren imaginären Managern zugeschustert (all das gleichzeitig erlebt zu haben, wäre schrecklich). Besonders erschwert habe ich es mir noch durch die Tatsache, dass ich unbedingt reimen wollte. Die englische Grammatik ist deswegen gleich im ersten Satz auf der Strecke geblieben:

Translation 1.0 bis 4.0 – Tücken der Online-Übersetzung

[Langfassung]

Good evening, Ladies and Gentlemen, do you speak English? Yes, you can.
Mit einem Turm fing alles an, in Babel, wo die Verwirrung der Sprache begann.
Als im Stadtstaat Schinar – man bemerke die Ähnlichkeit -, Menschen beim Bauen gerieten in Streit
Und Gott den Hochmut jäh zerstörte, drauf jeder etwas Andres hörte.
Die Leute zogen hinaus in die Kälte, wurden Ingenieure, Kaufleute, Rechtsanwälte.

Mit der Verwirrung ist jetzt Schluss, beschied der Mönch Hieronymus.
Der Theologe war kein Ketzer, ist Schutzpatron der Übersetzer.
Sprach Hebräisch, Griechisch und Latein und führte uns die Bibel ein,
Die Luther tausend Jahre später als 71. Interpreter
In das Deutsche übertrug – damit aber nicht genug:
In 648 Sprachen gibt’s die Bibel heute wegen sprachgewandter Leute,
die im stillen Kämmerlein – auch des nachts – tagaus, tagein
viele Texte übersetzen – von Geburtsurkunden bis Gesetzen.

Gold’ne Bulle, Sachsenspiegel – noch mit Federkiel und Tintentiegel,
Auch Gewohnheitsrecht der Reußen und das Landesrecht der Preußen,
Napoleon’sche Rechtsreform – diese Leistung war enorm,
Für die Könige von Holland und Italien und obendrein auch noch Westphalien.

Französisch war Sprache der Diplomaten, bis dann die Vereinigten Staaten
Von Amerika kamen mit ihren Schiffen und ganz anderen Rechtsbegriffen
Aus dem englischen Common Law, heut denkt sich Manager Meyer: Boah!
Globalisation –  yo! Hurra! Nun ist Englisch franca lingua.
Zwar sind die Briten für den Brexit, doch sprechen wir Englisch auch nach dem Exit.
Das gilt dann auch für deutsches Recht und gelingt bisweilen schlecht.

Letzt sagt der Meyer zu dem Müller: „Der neue Deal, der wird ein Knüller.
Allerdings mach ich mir Sorgen, denn die Chinesen kommen morgen.
Englisch sprechen ist nicht schwer, doch Legalese dagegen sehr.
Ich hab das Ganze unterschätzt und den Vertrag nicht übersetzt.
Sie haben doch Leistungskurs gehabt ― ich erwarte, dass das klappt.“
Müller grummelt: „Nur kein Stress, das ist halt so im Business.
Und ich bin nobody’s fool, ich nehm ein Übersetzungs-Tool.
Entwerfe ne Machine Translation im Zeitalter der Digitalisation.“

Die Chinesen lächeln süß, aber eines ahnen sie gewiss:
Alles hat Meyer nicht verstanden, denn der Sinn, der kam abhanden.
Denn auch wenn es richtig klingt, ist es manchmal falsch verlinkt.
So war domiciled noch wohnen, doch has been wurde was mit Bohnen.
Neues Meeting im August – Müller fehlt schon jetzt die Lust.
Manager Meyer sagt ihm auf den Kopp, jetzt ist Post-Editing sein Job.

Was ist denn bloß posteditieren? Müller kann nur spekulieren.
Die Sekretärin, die mit dem Engländer verheiratet ist, kann auch nicht helfen – denn der ist kein Jurist.
Zwar spricht er heutiges Elisabethanisch, doch nicht vertragliches Viktorianisch.
Was Müller auch so eruiert, am Ende wird’s nicht honoriert.

Am Dienstagmorgen kriegt er ´n Schock. Es klingelt an der Tür, macht knock, knock, knock.
Da steht ein Anwalt und er schreit: „You have infringed my copyright!
Die Konkurrenz nimmt meine Worte nun aus der Internet-Retorte.
Alles, was bei Ihnen mit muss, landet in deren Algorithmus.
Bei Google, Linguee und Babelfisch. So was wie Datenschutz kennt man da nich.
Denn die Cloud – merk auf, mein Guter -, ist nun mal other folk‘s computer.
Bevor man in Apps seine Runden dreht, schaut man erst mal, wo deren Server steht.
Weil: das Bundesdatenschutzgesetz gilt meistens nicht im weltweiten Netz.“
Müller wehrt sich so gut er kann – schon der Geheimhaltungsvertrag kam per E-Mail an.
Auch da ist’s wenig datenschützig, vielmehr richtig eigennützig.
Informationen braucht man nicht mehr hinterherzulaufen, man kann sie bequem bei Betreibern kaufen.

Die Geschäftsbeziehung landet vor Gericht, denn trotz Vertrag versteht man sich nicht.
Streitet über dies und jenes, ob der Tag nach until nun draußen oder drin is,
Ob discretion hier wirklich nur steht für Ermessen – und in Paragraph 5 war ein Halbsatz vergessen.
Ein Dolmetscher spricht für die Chinesen, Meyer denkt, viel besser wär’s gewesen,
Hätt der Schmitt die Übersetzung gemacht, mit Müller hat er sich verkracht.
Und er sieht partout nicht ein, dass soll seine Verantwortung sein?
Er wollt der Firma Kosten sparen und nun sitzt er hier in dem blöden Verfahren.
Doch die Kohle landet ganz in der ersten Gerichtsinstanz.

Müller jobbt jetzt auch woanders, benutzt nicht selbst den Mûret-Sanders
Er ist diesmal nämlich schlauer, sucht sich lieber Profi-Power
Mit Diplom und Expertise für die künftige Akquise.
Für acting, trading und auch barter, memorandum, by-laws, charter
Das klingt dann endlich idiomatisch, kulturell auch diplomatisch.
Syntax und Semantik stimmen, Müller kommt nicht mehr ins Schwimmen.

Übersetzer klaun nicht aus der Cloud, haben nen eignen Wortschatz aufgebaut.
Wissen, wo sie suchen sollen, wenn sie das richt‘ge Fachwort wollen.
Und benutzen überdies auch Translation Memories.
Kommunizieren mit dem Kunden – so werden Hürden überwunden.
Und wenn die Fachfrau mal nicht kann [die meisten Übersetzer sind weiblich], ruft sie ne Kollegin an,
Denn wer beruflich übersetzt, ist in der Regel gut  vernetzt.
Mit Italienisch, Spanisch und Kroatisch, Wirtschaft und Technik, manuell und automatisch,
Mit Dolmetschern, Trainern und Mediatoren – hat auch bei Gericht beschworen,
dass was sie schreibt, vollständig ist und richtig. Dies ist insbesond’re wichtig
Bei Betriebsanleitungen und Lizenzen, Urteilen, AGB, Insolvenzen.
So wächst mit ein wenig Kraft eine gesunde Partnerschaft.

Mein Fazit: Spar dir selbst doch die Schikane und komm zur Wagner, Christiane.


© 2018 Christiane Wagner